Abschnittsübersicht

  • Über die strukturierte (oder standardisierte) Befragung

    Eine strukturierte Befragung kann zur Ermittlung von Merkmalsausprägungen der befragten Personen oder zur Beschreibung und Bewertung konkreter Sachverhalte herangezogen und sowohl mündlich als auch schriftlich durchgeführt werden. 

    Bei mündlichen Befragungen ist (mindestens) ein(e) Interviewer*in anwesend. Von einer schriftlichen Befragung ist die Rede, wenn die an der Studie teilnehmenden Personen selbständig Fragebögen schriftlich beantworten. Jedenfals werden den Teilnehmer*innen Fragen mit fixen, standardisierten Antwortmöglichkeiten vorgegeben. 

    Während der Stichprobenumfang bei qualitativen Interviewstudien meist im ein- bis zweistelligen Bereich rangiert, fällt er bei quantitativen Umfragen oft deutlich höher aus. Eine hohe Fallzahl hat den Vorteil, dass bei der folgenden statistischen Analyse auch kleine Effekte offengelegt werden können. Hier ist es jedoch wichtig, eine Poweranalyse zur Stichprobenschätzung durchzuführen.

    Quantitative Interviewstudien basieren häufiger auf probabilistischen Stichprobenverfahren, qualitative basieren häufiger auf nicht-probabilistischen Samples (mehre Informationen zu den Stichprobenarten finden Sie im offenen FERNFH-Kurs Vom Forschungsinteresse zum empirischen Forschungsdesign). 

    Bei schriftlichen Befragungen können die auszufüllenden Fragebögen entweder in Gruppen unter standardisierten Bedingungen bei Anwesenheit von Untersuchungsleiter*innen vorgegeben werden, oder die zuvor ausgesuchten Untersuchungs­teilnehmer*innen erhalten den Fragebogen per Post oder elektronisch bzw. online und füllen diesen alleine aus. Wenn die Teilnehmer*innen den Fragebogen alleine ausfüllen (z.B. bei Online-Fragebögen) sollen muss der Fragebogen leicht verständlich gestaltet sein, sodass sie keine Hilfe beim Ausfüllen benötigen. Dennoch ist mit einer höheren Ausfallquote zu rechnen als bei Gruppenbefragungen. Die Rücklaufquote ist das Verhältnis der ausgefüllten Fragebögen zu jenen, die ursprünglich versandt wurden. Ein entscheidender Nachteil der Befragung aus der Ferne ist jedoch die unkontrollierte Erhebungssituation. Ob tatsächlich die angeschriebene Zielperson den Fragebogen ausfüllte, oder, ob alle Fragen ohne weitere mündliche Erklärungen richtig verstanden wurden, bleibt ungeklärt.

    Bitte beachten Sie, dass Ihre strukturierten Befragungen eine für die Versuchspersonen zumutbare Länge haben, denn mit wachsender Länge sind das Interesse. Ein sinkendes Interesse hat zunehmende Antwortverweigerung (fehlende Werte) zur Folge, zudem kann die Datenqualität sinken (z.B. weil Fragen zunehmend schneller und oberflächlicher beantwortet werden). Als Faustregel gilt, dass schriftliche strukturierte Befragungen nicht länger als 10–15 Minuten dauern sollten (z.B. Online-Fragebogen. Das Beantworten des Fragebogen in einem mündlichen Interviewsetting wird etwas länger dauern, da den Befragten die Fragen und Antwortmöglichkeiten erst vorgelesen werden und es dann zu einer Entscheidung kommt, bei schriftlichen Verfahren passiert das Erfassen der Frage und die Entscheidung für eine Antwort gleichzeitig. Zudem werden im Interviewsetting aufgrund der Anwesenheit des/der Studienleiter*in mehr Nachfragen seitens der Befragten gestellt, was zusätzlich Zeit kostet.

    Sie können die Methode der Befragung als Vignettenstudie auch emperimentell konzipieren.

    Der Begriff Befragung ist kein Synonym des Begriffs Umfrage. In der Wissenschaft spricht man von der Methode des Befragung, während sich die Umfrage meist auf eine Meinungsumfrage bezieht und in Politik und Wirtschaft verwendet wird

        • Die meisten empirischen Untersuchungen beschränken sich auf einen einzigen Untersuchungszeitpunkt (eine einzelne Befragung) da dies sowohl für Forschende als auch für Untersuchungsteilnehmer*innen mit dem geringsten Aufwand verbunden ist. Solch ein Studiendesign nennt man Querschnittdesign. In weniger Studien kommen Längsschnittdesigns mit Messwiederholungen, bei denen dieselben Studienteilnehmer*innen über gewisse Zeiträume hinweg wiederholt untersucht werden (z.B. im Abstand von einem Monat, einem Jahr etc.), zum Einsatz. 

          Längsschnittstudien sind oft vorteilhaft, um bestimmte Hypothesen zu testen. Vor allem, wenn es um die Prüfung kurz- oder mittelfristiger Ursache-Wirkungs-Relationen geht. Messwiederholungen sind weiters nützlich, um die Genauigkeit gemessener Werte zu erhöhen. So erhält man präzisere Angaben über gewisse Erlebens- und Verhaltensweisen (z.B. durchschnittliche Arbeitszufriedenheit, Beziehungsqualität), wenn man diese nicht an einem einzigen Messzeitpunkt summarisch erfragt (denn der/die Teilnehmende kann zum Zeitpunkt des Fragebogen-Ausfüllen z.B. gerade einen großen Streit gehabt haben, was untypisch ist und zu diesem Zeitpunkt sein/ihr Antwortverhalten verzerrt), sondern über ein oder mehrere Wochen hinweg wiederholt das tägliche Erleben und Verhalten erfasst und daraus den Durchschnittswert bildet. 

          Eine spezielle Form der Längsschnittbefragung stellt das Tagebuch dar in dem dieselben Versuchspersonen täglich einmal oder mehrmals befragt werden. Im Wochenbuch werden die Versuchspersonen einmal wöchentlich befragt. Sowohl bei Tagebuch als auch bei Wochenbuch werden den selben Personen die selben Fragen öfter als zwei Mal gestellt. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit nicht nur between-person Vergleich sondern auch within-person Vergleiche anzustellen.

        • 1. Operationalisierung der Hypothesen: Umwandlung der theoretischen Variablen in empirisch messbare Merkmale, d.h. Fragen bzw. Fragebogen-Instrumente. 

          2. Inhaltliche Vorbereitung: Konstruktion des Fragebogens, der dann mündlich abgefragt oder schriftlich vorgelegt wird. Hier finden Sie die FERNFH Kurzanleitung zur Fragebogengestaltung. Bitte berücksichtigen Sie bei der Fragebogengestaltung die folgenden Qualitätsanforderungen ("Gütekriterien“): Objektivität, Skalierung, Reliabilität, Validität, Testökonomie, Nützlichkeit, Zumutbarkeit, Unverfälschbarkeit und Fairness (Moosbrugger & Kelava, 2020 - hier finden Sie nähere Informationen).

          Da standardisierte Interview-Fragebögen sich nicht grundlegend von standardisierten Fragebögen unterscheiden, gelten diese Anleitungen gundsätzlich für mündliche als auch schriftliche Befragungen. Idealerweise erfassen Sie auch soziodemographische Daten, wobei hier vor dem Hintergrund von Messproblematiken sowie Gender- und Queer-Theorien insbesondere auf die korrekte Operationalisierung von Geschlecht im Fragebogen zu achten ist.

          Bei der Konstruktion eines Fragebogens ist es immer sinnvoll auf etablierte Messinstrumente zurückgreifen. Diese sind bereits validiert und versprechen eine gute Reliabilität. Es gibt einige Plattformen, die Fragebogeninstrumente - auch Skalen genannt - zur Verfügung stellen:

          Falls Sie dort keine geeignete Skala finden dann recherchieren Sie bitte nach wissenschaftlichen Artikeln, in diesen werden häufig auch Skalen veröffentlicht. 

          3. Organisatorische Vorbereitung: Bei mündlichen Befragugen sind Interviewer*innen zu schulen, zudem müssen notwendige technische Hilfsmittel besorgt oder vorbereitet werden (z.B. ausgedruckte Fragebögen oder Laptop für Online-Fragebogen, Telefonanlage für Telefonate, Computer mit Kamera und Mikrophon für Online-Video-Telefonate, Video- und/oder Audioaufnahmegeräte bei Befragungen in persona). Bei schriftlichen Befragungen muss der Fragebogen online auf einer Plattform eingerichtet (programmiert) werden oder ausgedruckt und für den postalischen Versand vorbereitet werden. Zum Zweck der akademischen Forschung (demnach auch für Bachelor- und Masterarbeiten) können Sie schriftliche Befragungen kostenlos online u.a. mittels der Plattformen SoSci Survey und empirio durchführen. 

          4. Finden und Rekrutieren der Befragungspersonen: Informationen zur Stichprobe finden Sie hier.

          5. Kontaktieren der Befragungspersonen: Ein motivierender Erstkontakt ist besonders wichtig, um möglichst viele der angezielten Befragungspersonen tatsächlich für eine Teilnahme an der Studie zu gewinnen.

          6. Beginn der Befragung: Nach der Begrüßung wird der Ablauf der Befragung (z. B. Zeitdauer) erläutert, auf die Bedeutung der Studie hingewiesen sowie Anonymität zugesichert. Auf das Ausschalten möglicher Störfaktoren wird hingewiesen (z.B. kein laufender Fernseher im Hintergrund).

          7. Durchführung der Befragung: Der Befragungsverlauf folgt exakt dem vorab gefertigten, standardisierten Fragebogeninstrument. Eine Antwortverweigerung bzw. -auslassung bei einzelnen Fragen wird üblicherweise zugelassen. Die von der Befragungsperson gewählten Antwortalternativen werden in den Fragebogen eingetragen, entweder von den Interviewenden oder von den Befragten direkt, entweder auf Papier oder elektronisch im Online-Fragebogen.

          8. Ende der Befragung: Die Befragung wird nach der letzten Frage beendet. Üblicherweise haben die Befragten jetzt noch eine Möglichkeit für Anmerkungen und Fragen zur Studie. Bei Interesse der Befragungspersonen können jetzt zudem Hintergründe zur Studie erklärt werden („debriefing“) oder es wird versucht, die Befragungsperson für Folgestudien gewinnen (z.B. Aufbau eines panels). Mit der Verabschiedung wird auch ein Dank für die Teilnahme an der Befragung ausgesprochen. 

        • Die meisten Forscher*innen erheben neue Daten, um die aufgestellten Hypothesen gezielt beantworten zu können. Vielfach sind die benötigten Variablen auch in öffentlichen Paneldatensätzen vorhanden. Öffentliche Paneldaten sind ein enorm wertvolles Gut für die Wissenschaft und Gesellschaft. Sie senken die Hürden für empirische Forschung und liefern gleichzeitig hohe statistische Aussagekraft (siehe statistische Power), die notwendig ist, um komplexe soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge und deren Ursachen zu verstehen, auch wenn die Effekte klein sind. Bei den meisten Paneldaten handelt es sich um öffentlich zugängliche (meist jedoch mit Anmeldung), repräsentative Längsschnitterhebungen, bei denen ein Fragebogen einem großen, repräsentativen Sample aus der Bevölkerung mehrfach (meistens alle paar Jahre) vorgelegt wird. Deshalb sind mit Paneldaten oft auch für Längsschnittanalysen und Verlaufsanalysen geeignet, deren Erhebung sehr langwierig, aufwendig und teuer sind.

          Vorteile der Nutzung von Paneldaten:

          • Gütekriterium der Ökonomie ist erfüllt
          • Kostenlose oder sehr günstige Nutzung eines sehr kostenintensiv erhobenen Datensatzes hoher Qualität (große Stichproben von oft Tausenden von Teilnehmer*innen, werden unter hohen wissenschaftlichen Standards erhoben)
          • Analyse von Dynamiken und Veränderungen im Längsschnitt (z.B. um Prozesse oder Veränderungen über die Zeit offenzulegen)hule Fortschritte machen.
          • Möglichkeit der Annäherung an Kausalaussagen (durch die Trennung der Erhebung der unabhängigen und der abhängigen Variablen sowie durch die Repräsentativität der Paneldaten für die Gesamtgesellschaft, in der sie erhoben wurden)
          • Transparenz und Reproduzierbarkeit der eigenen Analysen (da auch die Leser*innen Ihrer Studie sich Zugang zu dem analysieren Paneldaten verschaffen und so "nachrechnen", d.h. Ihre Studie reproduzieren könnten)

          Beispiele von Paneldaten:

          • European Working Conditions Survey (EWCS), Querschnittbefragung in allen EU-Ländern (kein Längsschnitt), alle 5 J., seit 1990, Themen: demographische Daten, Arbeitsbedingungen, subjektives Wohlbefinden...
          • Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE), Personen ab 50 Jahren in EU-Ländern, alle 5 J., seit 1990, Themen: Gesundheit (physisch und psychisch), ökonomische Lage (Arbeit, Rente, Vermögen), soziale Netzwerke, familiäre Unterstützung...
          • Sozio-oekonomische Panel (SOEP) in Deutschland, jährlich seit 1984, Themen: Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit, Persönlichkeitsmerkmale, politische Einstellungen, subjektives Wohlbefinden...
          • BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung, Querschnittbefragung in Deutschland (kein Längsschnitt), seit 2006, alle 6 Jahre, Themen: Arbeitsplatz, Arbeitsanforderungen, Arbeitsbelastung, Aus- und Weiterbildung, subjektives Wohlbefinden...
          • Deutscher Alterssurvey (DEAS) in Deutschland seit 1996, ca. alle 3 Jahre, Themen: Arbeit und Ruhestand, Einkommen und Vermögen, Freiwilliges Engagement, Digitalisierung und Technik, soziale Beziehungen und Einsamkeit, Unterstützung und Pflege, Wohnen, Einstellungen und Altersdiskriminierung, Gesundheit und Wohlbefinden...
          • Family Research and Demographic Analysis (FReDA) - Das familiendemografische Panel in Deutschland, zweimal jährlich seit 2020 (Daten seit 2008 verfügbar, damals noch Pairfam-Panel), Themen: demografische, ökonomische, psychologische und soziologische Themen
          • Austrian Socio-Economic Panel (ASEP), alle 2 Jahre, seit 2023, Themen: Arbeit, Bildung, Einkommen, Einstellungen, Familie, Gesundheit,...