Qualitätsanforderungen an Fragebögen ("Gütekriterien“)
Gütekriterien sind Anforderungen zur Qualitätssicherung, die bei der Test- und Fragebogenkonstruktion Berücksichtigung finden sollen. Sie basieren auf international vereinheitlichten Standards für Fragebogen und Tests. In der Regel werden folgende Kriterien unterschieden:
Objektivität: Ein Fragebogen ist dann objektiv, wenn er unabhängig von Ort, Zeit, Testleiter*in und Auswerter*in durchgeführt, analysiert und interpretiert werden kann. D.h. egal, wo, wann und von welcher/m Studienleiter*in die Befragung durchgeführt wird, für eine bestimmte Versuchsperson würde bezüglich des untersuchten Merkmals (zumindest annähernd) dasselbe Ergebnis und dieselbe Ergebnisinterpretation herauskommen.
Reliabilität: Ein Fragebogen erfüllt das Gütekriterium der Reliabilität (bzw. Zuverlässigkeit), wenn er das Merkmal, das er messen soll, möglichst genau, d.h. ohne (große) Messfehler, misst.
Validität: Ein Fragebogen ist dann valide (bzw. gültig), wenn er das Merkmal, das er messen soll, auch wirklich misst (und nicht irgendein anderes).
Testökonomie: Ein Fragebogen erfüllt das Gütekriterium der Ökonomie, wenn er - gemessen am empirischen Erkenntnisgewinn - wenig finanzielle (z.B. Materialien, Rektuierung der Stichprobe) und zeitliche Ressourcen (z.B. Dauer der Durchführung, Auswertung) beansprucht.
Zumutbarkeit: Ein Fragebogen ist zumutbar,wenn er hinsichtlich des aus seiner Anwendung resultierenden Nutzens die Versuchspersonen in zeitlicher, psychischer sowie körperlicher Hinsicht nicht überlastet.
Skalierung: Das Gütekriterium der Skalierung ist erfüllt, wenn die aus dem Fragebogen resultierenden Werte die tatsächlichen Merkmalsrelationen (der relevanten Stichprobe) adäquat abbilden. Dies betrifft vor allem die Gestaltung der standardisierten Antwortmöglichkeiten. D.h. dass z.B. bei Leistungsabfragen die Versuchspersonen mit höherer Leistung auf einem Gebier auch einen höheren Wert haben als die Versuchspersonen mit weniger Leistung.
Nützlichkeit: Nützlichkeit eines Fragebogen ist gegeben, wenn die von ihm gemessenen Merkmale praktische Relevanz aufweisen und die auf seiner Grundlage getroffenen Entscheidungen (Maßnahmen) bzw. Forschungen mehr Nutzen als Schaden erwarten lassen.
Fairness: Ein Fragbogen ist fair, wenn die resultierenden Werte zu keiner systematischen Benachteiligung bestimmter Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu ethnischen, soziokulturellen oder geschlechtsspezifischen Gruppen führen.
Unverfälschbarkeit: Ein Fragebogen erfüllt das Gütekriterium der Unverfälschbarkeit, wenn das Verfahren derart konstruiert ist, dass die Versuchsperson die konkreten Ausprägungen ihrer Werte durch gezielte Vortäuschung eines für sie unzutreffenden Antwortverhaltens nicht (oder nur schwer) verzerren kann. Verfälschbarkeit ist insbesondere bei Skalen mit hoher Augenscheinvalidität gegeben. Eine gewisse Verfälschbarkeit kann bei subjektiven Fragebogenskalen (im Gegensatz zu objektiven Fragebögen), in denen sich die Versuchspersonen selbst hinsichtlich eines Merkmals einschätzen, nicht vermieden werden.
Die Kriterien Objektivität, Reliabilität, Validität werden traditionell als Hauptgütekriterien bezeichnet. Das zehnte Gütekriterium (Normierung/Eichung) ist hier nicht angeführt, da es v.a. für die Interpretation psychologischer Testverfahren in der Diagniostik relevant ist (z.B. Intelligenztest, Test auf Reaktionsgeschwindigkeit) in welchen der Wert einzelner Menschen mit dem Wert der Gesamtbevölkerung (oder von Teilen davon) verglichen und beurteilt wird.
Nähere Informationen zu den Gütekriterien finden Sie hier in der Ausgangsliteratur:
Moosbrugger, Helfried/Kelava, Augustin (2020). Qualitätsanforderungen an Tests und Fragebogen (Gütekriterien“). In Moosbrugger, Helfried/Kelava, Augustin (Hrsg.). Testtheorie und Fragebogenkonstruktion. Berlin, Heidelberg: Springer.