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Zur Erinnerung: In der qualitativen Sozialforschung haben wir das Ziel, das Feld zu verstehen. Wir wollen das subjektive Erleben und Erfahrungen, Sichtweisen und Theorien verstehen, und zwar auf Ebene des Einzelfalls. Die Verallgemeinerung ist nicht das Ziel. Es interessiert uns hier nicht, wie oft ein bestimmter Typus in der Realität vorkommt, sondern wie er aufscheint, welche Merkmale ein bestimmter Typus hat. Ziel beim Sampling in einer qualitativen Studie ist damit die qualitative Repräsentation und nicht die quantitative.
Prinzipiell sind eine Vollerhebung und das statistische Sampling in einer qualitativen Studie natürlich auch möglich. Wir wollen hier im Qualitorial aber die qualitativen Samplingstrategien vorstellen. Im folgenden Video geben wir Ihnen einen kurzen Überblick zu den – unserer Erfahrung nach – am häufigsten eingesetzten Strategien:
Grundsätzlich lassen sich zwei große Stoßrichtungen im Sampling in der qualitativen Sozialforschung unterscheiden, die auch kombiniert werden können: Vorab-Festlegung des Samples und schrittweise Festlegung des Samples.
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Die Vorab-Festlegung der Samplestruktur beruht auf der Logik der Stichprobenziehung. D.h. wir wählen Personen, Gruppen, Organisationen vorab aus, die bestimmte Merkmale haben, die in einer bestimmten Verteilung vorliegen. Typische Merkmale sind: z.B. demografische Aspekte (Alter, Geschlecht, soziale Herkunft, Bildungsniveau etc.) oder weitere forschungsthematische spezifische Aspekte (z.B. Position im Unternehmen, Branche, Abteilung). Die forschungsrelevanten Merkmale werden von vornherein theoretisch begründet und werden unabhängig vom konkret untersuchten Material vor Erhebung und Analyse entwickelt.
Die größte Gefahr bei dieser Vorgehensweise sind sogenannte Kategorienfehler, die uns hier unterlaufen können: bspw., wenn wir vorab annehmen, dass bei unserem Forschungsthema Geschlecht einen Unterschied macht, dann können wir mit dieser Vorab-Festlegung mit der Erhebung bestehende Stereotypen reifizieren/reproduzieren.
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Beim schrittweisen Festlegen des Samples werden die Entscheidungen über die Auswahl des Datenmaterials im Laufe der Erhebung getroffen. Oft orientieren sich schrittweise Strategien auch am theoretischen Sampling. Damit ist gemeint, dass Entscheidungen über die Auswahl und Zusammensetzung des empirischen Materials (Personen, Gruppen, Unternehmen etc.) im Prozess der Datenerhebung und -auswertung gefällt werden.
D.h. wir wählen schrittweise Personen, Gruppen, Organisationen etc. aus, bei denen wir annehmen, dass sie etwas Neues für die zu entwickelnde Theorie beitragen. Die zentrale Frage für die Datenauswahl lautet daher: Welchen Fällen wenden wir uns zur Datenerhebung als nächstes zu? Und mit welcher Absicht?
Beim theoretischen Sampling pendeln wir zwischen Erhebung und Auswertung hin und her, bis theoretische Sättigung eintritt. Dabei wechseln wir zwischen ähnlichen und unterschiedlichen Fällen (also zwischen Homogenität und Heterogenität). Theoretisches Sampling ist nur zu empfehlen, wenn Sie wirklich „grounded“ arbeiten (Methodenwahl: Grounded Theory).
Strategien, die beschreiben, wie die Auswahl anzugehen ist, wenn nicht nach Grounded Theory gearbeitet wird, werden bspw. von Patton (2006) aus der Evaluationsforschung vorgeschlagen:
Gezielte Extremfälle oder abweichende Fälle: Um ein Forschungsthema zu erforschen, kann es hilfreich sein, besonders gelungene oder auch Bereiche, Fälle, die nicht gelungen sind, heranzuziehen.
Typische Fälle: Es werden diejenigen Fälle ausgewählt, in denen z.B. der Verlauf besonders typisch für den Durchschnitt oder die Mehrzahl der Fälle ist.
Maximale Variation: Es werden wenige, aber möglichst unterschiedliche Fälle einbezogen, um Variationsbreiten und Unterschiedlichkeiten im Feld zu erschließen.
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